(Von Shekinah)
Im Mai 2012 haben wir, David und Shekinah, unsere Bibeln und Bibelstudium-Bücher abgelegt.
Wir hatten in der Bibel den Schlüssel für ein Leben in Freiheit von der Sklaverei in der Kommerzgesellschaft gefunden, im ungebundenen Leben als Pilger mit Gott. Jedoch kamen wir zu der Erkenntnis, dass für unser geistiges Wachstum ein weiterer Fokus auf die Bibel in einer Vers-für-Vers-Methode, wie wir es vorher getan hatten, nun eher hinderlich als hilfreich wurde.
Wir hatten etwa 7 Jahre zuvor begonnen, die Aussteiger/Aktivisten-Botschaft von Jesus in die Tat umzusetzen, und hatten angefangen, viele Misskonzeptionen in christlichen Lehren zu sehen.
Eine ist die Erhebung der Bibel in einen Unfehlbarkeitsstatus.
Obwohl wir auch schon als Missionare wenigstens ansatzweise verstanden hatten, dass die Bibel nicht komplett unfehlbar war, fiel es uns damals schwer, uns mit diesem Thema klar auseinanderzusetzen.
Die Bibel ist ein historisches Dokument, eine Sammlung von geschichtlichen Aufzeichnungen, Erfahrungsberichten, Lyrik und Lehren. Die darin enthaltenen Schriften kamen in einem Zeitraum von etwa 1500 Jahren vor Christus bis in das erste Jahrhundert nach Christus zustande und wurden von mehr als 40 Autoren geschrieben.
Im dritten Jahrhundert nach Christus sahen die Leiter des damals noch jungen Christentums die Notwendigkeit zu entscheiden, welche der inzwischen zahlreich vorhandenen Schriften bezüglich Jesus Christus ihrer Meinung nach authentisch und nach ihren Maßstäben akzeptabel waren.
Nach Jahren eingehender Studie und hin-und-her Diskussion wurde sich dann schließlich auf den Kanon dessen, was Das Neue Testament genannt wird, geeinigt. (Der Kanon dessen, was Das Alte Testament genannt wird, kam im ersten Jahrhundert nach Christus zustande.)
Ich habe einige der Apokryphen-Schriften gelesen, die nicht in das Neue Testament aufgenommen worden waren, und mir schien verständlich, warum nicht. Jedenfalls bei denen, die ich gelesen habe, schien ein Mangel an Integrität der Autoren oder ein Mangel an Autenzität der Dokumente selbst vorzuliegen.
Wie auch in anderen historischen Dokumenten, die von verschiedenen Autoren über dieselben geschichtlichen Ereignisse geschrieben wurden, gibt es auch in den 4 Evangelien, die in den Kanon aufgenommen wurden, Diskrepanzen bezüglich geschichtlicher Aufzeichnungen von dem Leben und Tod Christi. Diese Diskrepanzen zeigen den menschlichen Aspekt der Schriften, zeigen aber gleichzeitig, dass diese vier Evangelien nicht einfach voneinander abgeschrieben waren, sondern dass es sich um individuelle Aufzeichnungen der Geschichte von Jesus Christus handelte.
Man kann in den Schriften des Apostel Paulus, die er während seiner über 20 Jahre als reisender Prediger schrieb, deutlich eine Entwicklung in seinem Verständnis sehen. Zum Beispiel machte er über die Jahre offensichtlich Fortschritt in seiner Einstellung Frauen gegenüber.
Ich bewundere seinen Enthusiasmus und Mut, öffentlich über höchst kontroverse Dinge zu sprechen, und seine Tapferkeit und Bereitwilligkeit, dafür auch zu leiden. Er hatte meiner Ansicht nach bedeutungsvolle und auch sehr schöne Dinge zu sagen, und seine Schriften zeigen auch seine menschlich und kulturell bedingten Grenzen.
Schon in frühen Jahren des Christentums waren die Schriften bezüglich Jesus Christus viele Male handschriftlich kopiert und auch in andere Sprachen übersetzt worden. Daher sind Hunderte von Teilen dieser Schriften, von denen viele aus den ersten Jahrhunderten nach Christus stammen, in geschichtlichen Archiven erhalten, und viele sind in Museen in zahlreichen Städten und Ländern ausgestellt.
Diese Tatsachen machen es schwer, die Theorie einiger Bibel-Kritiker aufrechtzuerhalten, dass die Bibel völlig verfälscht worden sei. Gleichzeitig machen es die obengenannten Tatsachen auch schwer, die Behauptung aufrecht zu erhalten, dass die Bibel das unanzweifelbare Wort Gottes sei.
Gemäß den Aufzeichnungen korrigierte Jesus selbst das, was zu seiner Zeit als das geschriebene Wort und Gesetz Gottes galt. Er scheute nicht davor zurück, den Status Quo in Frage zu stellen und nötige Veränderungen herbeizuführen. Die religiösen Leiter seiner Tage, die sich dadurch in ihrer Machtposition bedroht sahen, sorgten schlussendlich dafür, dass er aus dem Weg geräumt wurde.
Jesus selbst schrieb nie etwas. Ich kann mir vorstellen, dass ein Grund dafür war, dass er nicht wollte, dass Menschen schriftliche Aufzeichnungen anbeten. Er wollte, denke ich, vielmehr, dass diejenigen, die ihn gekannt und geliebt hatten, seinem Beispiel folgen und so wie er ein Kanal für Gottes Geist und so zu der lebendigen Botschaft würden.
Geschriebene Aufzeichnungen können durchaus hilfreich sein und sind es mir persönlich auch schon sehr gewesen, aber ich habe gelernt, Aufzeichnungen als das zu behandeln, was sie sind - Aufzeichnungen von Menschenhand im Kontext der Zeit, in welcher sie geschrieben wurden. In anderen Worten, als Leser ist es meine eigene Verantwortung, das Geschriebene selbst zu beurteilen.
Mir ist klar geworden, dass ich selbst recht bigott handelte, als ich (28 Jahre lang als Missionar) eine Sammlung offensichtlich unvollkommener Schriften als „Das Wort Gottes“ bezeichnete. Und wenn jemand verlangt, dass ein Mensch die Bibel als "Das unfehlbare Wort Gottes" akzeptierenn muss, ohne Fragen stellen zu dürfen, dann handelt er oder sie repressiv.
Wenn man also ein Buch nicht zum “Wort Gottes” erklären kann, was ist denn das Wort Gottes? Das griechische Wort übersetzt „Wort“ heißt auch „Ausdruck". Ich ziehe diese Übersetzung vor, da es hilft, das Vorurteil loszuwerden, welches dem Ausdruck „Wort Gottes“ anhaftet. Der „Ausdruck Gottes“ ist für mich Gerechtigkeit, Liebe, Fairness, Güte.
Wenn geschriebene Aufzeichnungen uns dazu inspirieren, dann hat meiner Meinung nach das Lesen einen guten Zweck erfüllt. Jedoch wird es immer unsere persönliche freiwillige Entscheidung sein, sie in die Tat umzusetzen, was daraus einen lebendigen Ausdruck Gottes macht.
Von Menschen kommunizierte wahre Liebe in all ihren Formen ist der Ausdruck Gottes.